WEG

ACHT

Foto Interieur eines Campingwagens, Campingplatz Kircheib, September 2020

Die Ausstellung WEG

Ein Gemeinschaftsprojekt von acht Künstlerinnen und Künstlern beschäftigt sich mit der so verstörenden wie inspirierenden Szenerie eines zerfallenen Idylls. Sie zum Sprechen zu bringen mit unterschiedlichen Medien, ist ein Akt des visuellen Denkens über unser Weltverständnis wie auch quasi archäologische Recherche an einem Ort, der nahe am Geschehen des geschäftigen Weilers Kircheib im Westerwald liegt, und doch fast unbekannt ist. Die Arbeiten wurden in der nicht weit entfernten Kulturwerkstatt Kircheib gezeigt, eröffneten also auch dem lokalen Publikum neue Perspektiven auf sein eigenes Umfeld.

Ein ehemaliger Campingplatz, seit langem völlig verlassen und verwahrlost, liefert die Motive für Foto- und Filmarbeiten, für Skulpturen und Materialcollagen. Hier hatten Menschen versucht, sich ihr romantisches Idyll zu schaffen, ihre Wohnwagen standen in umhegten Gärtchen, nicht mehr fahrbereit und umgestaltet, für den Stillstand präpariert. Doch dieser ersehnte Stillstand, das Pausieren vom Weltgeschehen, endete offenbar plötzlich. Wie fluchtartig verlassen wirken die mittlerweile maroden Häuschen, das Essgeschirr auf dem Tisch; angebrochene Lebensmittel und hinterlassene Kleidungsstücke sprechen davon. Das Thema Utopie versus Katastrophe könnte keinen besseren visuellen Anknüpfungspunkt finden. Doch ist es nicht andererseits gerade tröstlich, dass Chaos und Tod nicht der Endpunkt sind?

Die Arbeiten der beteiligten Künstlerinnen und Künstler zeigen auch, wie die Wildnis ihre Kraft entfaltet, wie die Natur die vermüllte Szenerie gnädig überwuchert. Die eine Zeit ist stehen geblieben, eine andere ist angebrochen. Der Trost liegt ganz im Diesseits. Die Werke der Ausstellung mit dem Titel "WEG", die auf Grundlage der dörflichen Dystopie entstanden, zeigen je eigene Wege und Richtungen auf, in die der Prozess der Veränderung gehen kann. Und sie sind geeignet, die Imagination der Betrachter entsprechend in Bewegung zu bringen.

Die digitale Ausstellung weg.works

Mit weg.works haben sich die Kulturwerkstatt und die Künstler*innen-Gruppe ACHT an das Experiment gewagt, eine von 23.10. bis 04.12.22 in der Kulturwerkstatt Kircheib stattfindende Ausstellung in den virtuellen Raum zu übertragen.

Mit dem Anspruch mehr zu gestalten als eine reine Dokumenation der ausgestellten Arbeiten, haben sich Matthijs Muller und Martin Zepter, die künstlerischen Leiter des Projekts, für die Idee entschieden, die Ausstellung als eine Zeitkapsel zu begreifen, die sie als eine Art Sonnensystem visualisieren. In dessen Zentrum befindet sich die Vergrößerung eines Samenkorns, das satellitenartig von kreisenden Objekten umrundet wird, die einer Müllkippe entstammen könnten.

Ein Gummistiefel ist da unter anderem zu sehen, ein Wäscheständer, eine Flasche, ein Regenschirm oder eine Holzpalette. Diese Fundstücke stehen zum einen symbolisch für die Arbeiten jeweils eine*r der ausstellenden Künstler*innen, zum anderen erinnern sie an den verfallenen Campingplatz in Kircheib, der für alle Beteiligten die gemeinsame Inspiration für die Ausstellung war. Klickt man mit dem Mauszeiger auf eines der Objekte, dann ertönt eine Soundspur, die die Besucher*innen begleitet, während sie visuell in den Kern gezogen werden, der sich von innen als virtueller Ausstellungsraum entpuppt.

Dort befinden sich neben Bildern und Videos der Arbeiten auch kurze Texte, die der Kulturjournalist und Kunst-Blogger Jürgen Röhrig (www.artigart.de), ebenfalls Mitglied der Gruppe, zur Ausstellung verfasst hat. Für die technische Umsetzung des Projektes arbeiteten die Künstler mit einem jungen, niederländischen Programmierer, für die ästhetische Umsetzung mit weiteren Personen aus ihren Netzwerken zusammen.

Die Künstler*innen-Gruppe ACHT

Die Anfang 2019 gegründete Künstler innengruppe ACHT besteht derzeit aus 8 Künstler innen aus der Region Rhein-Sieg, die sehr unterschiedliche Hintergründe, Arbeitsweisen, Denkrichtungen und Positionen mitbringen. Alle Mitglieder besitzen ausführliche Berufserfahrung, teilweise auch im Ausland.

Sie suchen Dialog und Vertiefung und wollen zu diesem auch einladen. Ihr Ziel ist es, Möglichkeit zur Auseinandersetzung und Anregung anzubieten. Die Gruppe begreift sich als flexibel und für Erweiterung offen. Die erste gemeinsame Ausstellung "selbst ist das andere" fand 2019 in der Kulturwerkstatt Kircheib statt.

Die Entdeckung des Campingplatzes in unmittelbarer Umgebung der Kulturwerkstatt bot danach vielfältig Stoff für Ideen und Diskussionen, die während des LockDowns per Zoom geführt wurden. Daraus entstand schließlich im Sommer und Herbst 2022 die Ausstellung WEG, für die die Künstler*innen im stetigen Austausch neue Kunstarbeiten entwickelten.
In ihrer zweiten Gruppenausstellung sieht die ACHT eine Möglichkeit, ihre unterschiedlichen Positionen nebeneinander wirken zu lassen, zu befragen, den eigenen Austausch zu vertiefen, aber auch, sich zur Diskussion nach außen zu öffnen.

Die Künstler*innen

Ilse Wegman malt und kollagiert, inszeniert, macht Installationen aus (meist) gefundenem Material. Mit trockenem Witz und einer selbstverständlichen Freiheit entstehen neue Ordnungen und Bedeutungen.
(kunstforum.de/person/wegmann-ilse/)

Jürgen Röhrig hat als Journalist sehr viel über die Kunst in seiner Region geschrieben. Durch die Kontakte, die daraus entstanden war er auch als Kurator tätig, leitete Künstlergespräche und hat zahlreiche Katalogtexte für Künstler geschrieben. Seine neuen Texte erscheinen in seinem Blog. Gänzlich aus dem Blick der Öffentlichkeit aber schafft Röhrig schon seit Jahrzehnten auch seine eigene Kunst. Formale und sensible Zeichnungen, Collagen und Fotos mit feinem Blick aufs Detail. (artigart.de)

Carola Willbrand arbeitet überwiegend mit Materialien des täglichen Gebrauchs. Aus Kleidern werden Skulpturen. Mit der Nähmaschine zeichnet sie und kollagiert diese auch mit Stoff und Fotos zu Künstlerbüchern. Ausserdem kreiert sie Skulpturen, Installationen aus getragenen Kleidungsstücken und Performances. (carolawillbrand.de)

Mark Met zeichnet extraordinäre Männertypen wie den U-Boot-Kapitän, den Urmenschen und andere Phantasiefiguren, Spielzeugfiguren, Kultfiguren aus Afrika und Affen, die als sein Alter Ego sowohl auf dem Papier als auch in seinen Performances agieren. (markmet.eu)

Sabine Hacks Arbeiten bewegen sich in dem fragilen Kosmos Natur-Mensch und sind geprägt von einem mäandernden Faden. „...Ich nehme mir Zeit, Nadel und Faden in die Hand, aus Erinnerungen, Eindrücken und Gefühlen entstehen feine Linien, und Schnüre. ...“ (sabine-hack.de)

Sonja Karle teilt, trennt, separiert oder fügt zusammen, was ursprünglich nicht zusammenzugehören scheint. Es entstehen neue Zusammenhänge und Fragen über das menschliche Handeln in Kultur und Natur. Zentral steht das Hinterfragen selbst wozu sie unterschiedliche Ausdrucksmittel nutzt (Zeichnung, Objekt, Collage, Fotografie, Text). (sonjakarle.eu)

Matthijs Muller hat eine künstlerische Handschrift weitestgehend eliminiert: Abhängig vom Thema und dem Ort der Realisation wählt er Material und Präsentationsform. Seine Werke gliedern sich oftmals beiläufig in ihre Umgebung ein, lassen sich aber nicht sofort erklären, sondern müssen mit ihrem Kontext in Verbindung gesetzt werden. (matthijs-muller.eu)

Inge Kamps ist Malerin, Fotografin und Videokünstlerin, die sich mit sozialen Phänomenen und der Natur als Nahrungsspenderin auseinandersetzt, als Teil eines kulturell übergreifenden Diskurses zum Thema Identität. (kamps-lab.de)

Gastkünstler der Ausstellung WEG

Johannes Quint aus Bonn ist Komponist, Videokünstler und Professor für Musiktheorie. Er hat für seine musikalischen Experimente bereits zahlreiche Stipendien und Aufträge erhalten, die unter anderem vom weltberühmten Ensemble Modern aus Frankfurt aufgeführt wurden. Seit einigen Jahren verknüpft er seine elektronischen Kompositionen immer häufiger mit selbst gestalteten audio-visuelle Animationsarbeiten. (johannes-quint.de)

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